Pilotregion Feldkirchen bei Graz – Ein Jahr Sperre der Landesstraße B67

Nutzung der Sperrungals Chance für die Mobilitätswende

Im Projekt ULTIMOB – Ultimative Integrierte Mobilitätslösungen – werden intelligente Mobilitätslösungen erforscht, die unsere Alltags- und Freizeitwege verändern und erleichtern. Kernstück des Projekts sind die vier Pilotregionen Feldkirchen bei Graz, Großraum Salzburg, Ötztal und Tullnerfeld. Um einen möglichst umfassenden Bereich an realen Verkehrs- und Mobilitätsproblemen abzudecken, wurden vier Regionen ausgewählt, die sich stark voneinander unterscheiden.

Eine der vier Pilotregionen im Projekt ULTIMOB ist die Pilotregion Feldkirchen bei Graz mit der zentralen Zielsetzung, den Anteil der Fahrten mit dem Kfz im Binnen- und im Pendlerverkehr zu reduzieren. Durch die Verbesserung des multimodalen Verkehrsangebots soll auf den für den Projektraum relevanten Wegen ein möglichst hoher Anteil an Radverkehr und Öffentlichem Verkehr erreicht werden. Das Aufbrechen eingefahrener Mobilitätsmuster kann einerseits durch alternative, multimodale Mobilitätsangebote und andererseits durch gezielte Information über die Angebote und die Unterstützung durch innovative Organisation der Zielaktivitäten der Verkehrsteilnehmenden erreicht werden.

Die Sperre der Landesstraße B 67 (LB-67) im Zuge der Koralmbahn-Baustelle wird als Chance für die Mobilitätswende genutzt, indem der Umstieg auf das Fahrrad und auf Öffentliche Verkehrsmittel durch Information und neue Angebote attraktiv gestaltet wird. In einem ersten Schritt wurden anonymisierte Mobilfunkdaten zur Informationsgewinnung über die allgemeine Verkehrsnachfrage ausgewertet sowie eine Verkehrszählung entlang der Haupteinzugsstraße B 67 vor und nach Beginn der Koralmbahn-Baustelle durchgeführt. Weiters wurde eine Online-Ergebung zum Radverkehr in Feldkirchen und den benachbarten GU6 Gemeinden (Seiersberg-Pirka, Feldkirchen bei Graz, Premstätten, Wundschuh, Kalsdorf bei Graz und Werndorf) durchgeführt.

Eine Evaluierung Multimodaler Knoten und deren Lage wurde durchgeführt – aus den Ergebnissen abgeleitet werden derzeit 2 Multimodale Knoten in Feldkirchen umgesetzt. Zudem wurde eine alternative Haltestellenausgestaltung definiert und eine moderne Haltestelle mit Gratis-WLAN, digitalen Fahrplänen und begrüntem Wartehäuschen, Radabstellanlagen und Spinden in Feldkirchen umgesetzt. Der Strom kommt von einer Fotovoltaikanlage am Dach des Wartehäuschens.

In Feldkirchen, im potenziellen Staubereich an der Landesstraße B 67, wurde eine Videowall installiert, welche mit mobilitätsbezogener Werbung bespielt wird. Beworben werden beispielsweise Förderaktionen der Gemeinde, aktuelle Abfahrts- und Fahrzeiten der S-Bahn Richtung Graz, Fahrzeitenvergleiche MIV-ÖV-Rad und Ticketpreise. Die Videowall weckte bei Nachbargemeinden Interesse, die nun ebenfalls ihre mobilitätsbezogenen Angebote zeigen.

Der Leiter der Pilotregion Graz Umgebung, DI Dr. Kurt Fallast, gibt in einem kurzen Interview einen Überblick über erste Erfolge.

Interview mit DI Dr. Kurt Fallast

Die Landesstraße B 67 ist seit Mai 2021 gesperrt. Hat es aufgrund der neuen Barriere im Kfz-Verkehr Überlastungen im umliegenden Straßennetz gegeben?

Noch vor dem Beginn der Sperre wurden Informationen im hochrangigen Straßennetz und im relevanten lokalen Straßennetz angebracht. Die in der Projektgemeinde installierte großformatige Videowall wurde auch für Umleitungsinformationen genutzt. Durch diese Maßnahmen konnten die Verlagerungen großräumig und auf verschiedene Straßenabschnitte verteilt werden.

Wie bereits erwähnt wurden einige Maßnahmen im Vorfeld und während der Sperre getroffen die den Umstieg vom Pkw auf den öffentlichen Verkehr erleichtert. Welche Maßnahme war für den Shift in Richtung Umweltverbund besonders förderlich?

Schon vor der Sperre der LB-67 wurde der Takt auf der parallel führenden S-Bahn Strecke (S5 Graz – Spielfeld-Straß) verdichtet. So werden in Fahrtrichtung Graz im Abschnitt zwischen Werndorf und Graz in den Spitzenstunden bis zu 6 Züge/h geführt. Die Führung der Regionalbusse wurde auf die Sperre der LB-67 abgestimmt. Für die Regionalbusse wurde für die Fahrtrichtung nach Graz in der Projektgemeinde 2 Fahrbahnhaltestellen eingerichtet, um für den Busverkehr die Einhaltung des Fahrplans zu ermöglichen.

Über 30 Follower-Gemeinden und Regionen folgen den Ergebnissen aus dem Projekt ULTIMOB – welche Maßnahme sehen Sie als gut geeignet für andere Gemeinden die ein hohes Pendleraufkommen und nicht die Voraussetzungen mit der Sperre einer Landesstraße haben?

Eine einzelne Maßnahme in der Straßeninfrastruktur, die gegen den Kfz-Verkehr gerichtet ist, reicht nicht aus und ist wenig motivierend. Auf lange Sicht wirksamer ist die Information über die alternativen Angebote im Öffentlichen Verkehr (Fahrplan), die Tarife für Dauerfahrkarten und die realistischen Reisezeiten. Es zeigt sich immer wieder, dass die subjektive Einschätzung dieser Entscheidungsgrundlage für die Verkehrsmittelwahl von der Realität abweicht.

Das Projekt ULTIMOB läuft voraussichtlich noch bis Ende des Sommers 2023 – auf welche mobilitätsrelevante Verbesserungen dürfen sich Einwohner:innen in Feldkirchen bei Graz und umliegender Gemeinden freuen?

Die ÖV-Haltestellen werden weiter verbessert. Derzeit sind 2 Multimodale Knoten in der Gemeinde Feldkirchen in Bau (Zentrum Feldkirchen und Siedlungsbereich Abtissendorf). An diesen Multimodalen Knoten werden Car-Sharing-Fahrzeuge (e-Car und konventionell betriebene Fahrzeuge), sowie Elektro-Ladestationen angeboten. Insgesamt wird das bedarfsorientierte ÖV-Angebot weiter ausgeweitet. Aus einer Befragung der Fahrgäste werden die Motive für das Umsteigen und damit neue Möglichkeiten für ein verbessertes ÖV-Angebot ermittelt.

Fact Box:

  • Leitprojekt: ULTIMOB
  • Projektlaufzeit: 09/2019 – 08/2023
  • Leitung Pilotregion: PLANUM Fallast Tischler & Partner GmbH
  • Partner in der Pilotregion:
    • Technische Universität Graz
    • Marktgemeinde Feldkirchen bei Graz
  • Auftraggeber: BMK & FFG
  • Förderprogramm: Mobilität der Zukunft – 12. Ausschreibung
  • Gesamtkosten Projekt ULTIMOB: € 4.016.633

Zur Person

Kurt Fallast lehrt seit 1980 an der TU Graz am Institut für Straßen- und Verkehrswesen. Er gründete 1994 ein Ingenieurbüro für Verkehrswesen mit Büros in Graz und Klagenfurt und ist seit 1985 Mitglied der Forschungsgesellschaft Straße-Schiene-Verkehr. Von 2004 bis 2007 war er zudem Mitglied des Aufsichtsrats der ASFINAG. Seit 2002 ist er Geschäftsführer Steiermark der Österreichischen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft, seit 2015 Zertifizierter Straßenverkehrssicherheitsgutachter beim BMK und seit ebenfalls 2005 Geschäftsführender Gesellschafter des Verkehrsplanungsbüros PLANUM Fallast Tischler & Partner.