Die traditionelle Landwirtschaft am Rio Negro wurde bereits zwei Mal als nationales Kulturerbe Brasiliens anerkannt. Grund dafür ist die immense Vielfalt, die die lokalen Bäuer:innen durch die Nutzung von Mischkulturen, Fruchtfolgen und jahrtausendealte Anbautechniken fördern.
In Zeiten der industriellen Landwirtschaft gelten solche Methoden heute vielerorts als wenig praktikabel. Es braucht daher Initiativen, um diese traditionellen Praktiken zu erhalten und für die produzierenden Familien attraktiv zu machen. Eine solche Initiative ist die Casa de Frutas „Iwaita Ruka“ in Santa Isabel do Rio Negro, mitten im Herzen Amazoniens. Diese kauft Überschussware von lokalen Bio-Bäuer:innen an und verarbeitet sie zu Trockenfrüchten, Bananenmehl und mehr.
Auch das „Haus der Früchte“, wie sich die Initiative auf Deutsch übersetzen lässt, basiert auf der “Philosophie des stehenden Waldes”, über die wir in dieser Serie bereits berichtet haben. Ziel ist es, traditionell wirtschaftenden Kleinbäuer:innen die Möglichkeit zu bieten, ein Zusatzeinkommen zu generieren. Die Ware, die später zu Trockenfrüchten & Co. verarbeitet wird, darf von den Bäuer:innen nicht extra angebaut werden, um die Entstehung von Monokulturen zu verhindert. Vielmehr sollen Überschüsse aus der Produktion abgekauft werden und den Bäuer:innen so einen Zuverdienst ermöglichen. Dadurch wird garantiert, dass die Landwirtschaft weiterhin einen Beitrag zum Erhalt und zur Förderung der biologischen Vielfalt leistet, anstatt diese zu zerstören.
Die Bäuer:innen müssen sich dafür im nationalen Kataster der Biobäuer:innen erfassen lassen, um ihre Ware an die Casa de Frutas verkaufen zu können. Diese bürokratische Hürde stellt immer wieder ein Hindernis dar, weshalb die Initiative auch nach fast 5 Jahren noch immer sehr kleinstrukturiert ist und vor allem den regionalen Tourismus mit ihren Produkten bedient.
Eine weiter wichtiger Abnehmer für die Produkte ist neben dem Ökotourismus vor allem das Nationale Schulverpflegungsprogramm, kurz PNAE, über das auch in dieser Serie bereits berichtet wurde. Vor allem Bananenmehl, das gemeinsam mit Wasser zu einem nahrhaften „Mingau“ bzw. Brei verarbeitet werden kann, findet in den Schulen der Region rund um Santa Isabel großen Anklang. So leisten die Bäuer:innen heute neben dem Schutz der Artenvielfalt auf ihren Feldern auch einen wichtigen Beitrag zu Förderung der Diversität auf den Tellern durch eine gesunde, regionale Schuljause für die Jüngsten.
Betrieben wird die Initiative vom Verein ACIMRN, der dem Regionalverband des Mittleren und Unteren Rio Negro, CAIMBRN, untersteht. Dessen Leiter, Carlinhos Nery, selbst studierter Agronom, setzt sich seit Jahrzehnten für die traditionelle Landwirtschaft ein und ist überzeugt:
Dieses Projekt dient der Entwicklung und Valorisierung der landwirtschaftlichen Produktion am Rio Negro. Mit dem Ziel, die Feldfrüchte für den Konsum zu veredeln.
Auch in Sachen Nachhaltigkeit ist die Casa de Frutas ein wahres Vorzeigeprojekt: Die Dehydrierungsapparate zur Herstellung der Trockenfrüchte sowie ein Großteil der anderen benutzten Gerätschaften verwenden fast ausschließlich erneuerbare Energien. Dafür musste das Produktionsteam spezielle Schulungen absolvieren und wird bei Problemen mit den Geräten und Abläufen bis heute immer wieder von Mitarbeitenden der UNICAMP beraten. Diese begleiten die Amazonienweit einzigartige Initiative seit ihren Anfängen und liefern Lösungsansätze, um die Produktion am Laufen zu halten.
Auch die Hygienestandards folgen einem strengen Protokoll, das eine lange Haltbarkeit der Produkte garantiert. Bislang haben sich vor allem getrocknete Ananas, verschiedene getrocknete Bananenarten und Tucumã-Chips als gut vermarktbar erwiesen. Doch die Mitarbeitenden experimentieren immer wieder mit neuen Produkten und hoffen in Zukunft auch Müsliriegel, getrocknete Fruchtpulver oder ähnliches produzieren zu können.